Kaiser Haile Selassie I

©photos:guenay ulutuncok

Der letzte Kaiser von Äthiopien, Haile Selassie I.,

ist am 5. November 2001 in Addis Abeba feierlich umgebettet worden.

Der „Negus Negesti“ (König der Könige) fand in der Familiengruft in der Dreifaltigkeitskirche 25 Jahre nach seinem mysteriösen Tod seine letzte Ruhestätte.

Der Patriarch Paulos der orthodoxen Kirche Äthiopiens nahm die Zeremonie vor.

An einem Gottesdienst unter freiem Himmel hatten zuvor auch einige Prominente, wie die Frau von Bob Marley, aus dem Ausland teilgenommen.

Haile Selassie regierte Äthiopien 45 Jahre lang. Er war – so die offizielle Geschichtsschreibung – der 225. monarchische Nachfahr des biblischen König Salomo und seiner Geliebten, der Königin von Saba. Nach dem Putsch marxistischer Offiziere wurde der Kaiser unter Hausarrest gehalten.

Sein Tod trat am 27. August 1975 ein, auf Grund von „Durchblutungsstörungen“. Es gilt jedoch als gesichert, dass Soldaten des Regimes den altersschwachen 83-Jährigen mit einem Kissen erstickten.

Siebzehn Jahre später wurde sein Schädel im Zement unter der Toilette des damaligen Herschers Mengistus entdeckt.

Bei einer Feier am vergangenen Freitag hatte sich die über 80-jährige Prinzessin Tenangnwe Work an die Zeiten der Krönung erinnert – damals war ihr Vater noch jung, Addis Abeba ein Dorf und die Macht des kaiserlichen Hofes absolut. Siebzig Jahre ist das her, in jenen Tagen war die Prinzessin noch ein kleines Mädchen. Im Beisein zahlreicher Könige und Präsidenten war damals Lija Ras Tafari Makonnen zum Kaiser Haile Selassie I. erhoben worden. Unter einer Toilette verscharrt Auch sein Tod liegt nun schon eine Weile zurück, doch eine anständige Beerdigung war Haile Selassie nicht vergönnt. Der 1892 geborene Monarch war 1975 im Palast gestorben, wo er seit seinem Sturz 1974 von dem stalinistischen Diktator Mengistu Haile Mariam festgehalten worden war. Nach seinem Tod wurde Selassie unter einer Bürotoilette im Palast verscharrt. Kein afrikanischer Herrscher der Neuzeit ist so lange an der Macht gewesen wie der „König der Könige, Löwe von Juda und Auserwählte Gottes“. Haile Selassie war ein richtiger Kaiser. Kein selbst ernannter Monarch wie Jean-Bedel Bokassa in der Zentralafrikanischen Republik. Er war – so die offizielle Geschichts-schreibung – der 225. monarchische Nachfahr des biblischen König Salomo und seiner Geliebten, der Königin von Saba. Er wurde abgöttisch verehrt und zutiefst gehasst. Haile Selassie bediente sich zur Herrschaftssicherung 44 Jahre lang eines Feudalsystems, das mittelalterlich anmutete. Die Landbevölkerung, vor allem die Leibeigenen, wurden in Unwissenheit gehalten. Bis heute hemmt diese Rückständigkeit des ländlichen Äthiopiens jede Entwicklung. Der Kaiser versuchte aber, der städtischen Elite den Anschluss an das 20. Jahrhundert zu verschaffen. Im restlichen Afrika wurde er geschätzt für die Unterstützung der Befreiungsbewegungen im Kampf gegen die Kolonialherrschaft. Äthiopien selbst war nie kolonisiert, obwohl Italiens Diktator Mussolini es versucht hatte. Nach der Phase der Dekolonisierung Afrikas wurde Addis Abeba Sitz der Organisation Afrikanischer Einheit (OAU), die Selassie mitbegründete. Zu Beginn der siebziger Jahre verlor der Kaiser jedoch den Kontakt mit der Wirklichkeit. Während in den Dörfern gehungert wurde, ließ er sich im Palast dabei filmen, wie er seine zahmen Hauslöwen mit großen Fleischbrocken fütterte. Nach dem Putsch marxistischer Offiziere wurde der Kaiser unter Hausarrest gehalten. Sein Tod trat am 27. August 1975 ein, auf Grund von „Durchblutungsstörungen“. Es gilt jedoch als gesichert, dass Soldaten des Regimes den altersschwachen 83-Jährigen mit einem Kissen erstickten. Siebzehn Jahre später wurde sein Schädel im Zement unter der Toilette entdeckt. Heute gilt Haile Selassie vielen Äthiopiern als Chef eines überkommenen Systems, das zu Recht mit dem Putsch sein Ende fand. Die Regierung von Ministerpräsident Meles Zenawi hat keine großen Sympathien für den Kaiser und seine Familie, die im Exil in Europa, Kanada und den USA lebt. Viele Residenzen des Kaisers lässt man bewusst verfallen. Trotzdem gewährte die Regierung Selassie nun ein Staatsbegräbnis. Und dabei hat die Regierung ihre Hintergedanken: Schließlich hat das Kaiser-Volk der Amharen dem Regime bisher stets misstraut, weil es von Tigrayern aus dem Norden des Landes geführt wird. Seit dem Krieg mit Eritrea ist aber die Solidarität der Amharen mit der Regierung von Meles Zenawi gewachsen. Der Ministerpräsident gilt nun als mannhafter Verteidiger der äthiopischen Souveränität. Und wenn der Amhare Haile Selassie in Würde beerdigt wird, kann das Ministerpräsident Meles Zenawi bei dieser Volksgruppe nur noch mehr Sympathiepunkte verschaffen. Er ist der Messias der Rastafaris. Die Rastafaris in der Karibik verehren den früheren äthiopischen Kaiser Haile Selassie als ihren Messias. Rastafari ist die Religion der schwarzen, nach Jamaika verschleppten Sklaven. Der Name kommt von Lija Ras Tafari Makonnen, dem Prinzennamen des Kaisers. Die Rastafaris glauben daran, dass Selassie als Erlöser wiederkommen wird. Sie tragen die typischen Rasta-Locken und rot-grün-gelbe Wollmützen. Die Rastafaris sehen sich selbst als einen verlorenen Teil des Volkes Israel an. Die Sklaverei bezeichnen sie als „Babylon“. Wichtiger Bestandteil und religiöse Inspirationsquelle der Rastafaris ist das Rauchen von Ganja (Marihuana). Die Musik der Rastafaris ist der Reggae.

Guenay Ulutuncok, Addis Abeba, Äthiopien, 5. November 2001.